14.05.2025

Elysium between two continents

Beschreibe dein Unternehmen in zwei Sätzen.

Michael: Als transatlantische Kulturaustauschorganisation bauen wir mit den Mitteln von Kunst und Kultur Brücken der Verständigung, des Dialogs und des Austauschs und kämpfen gegen Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus. Inhaltlich liegt ein Schwerpunkt auf der Wiederentdeckung und Präsentation von Künstlern, die durch das nationalsozialistische Unrechtsregime verfolgt, unterdrückt und mundtot gemacht worden sind.

Wer steckt hinter Elysium between two continents? Erzähle uns etwas über dich und die Gründer:innen.

Michael: Elysium wurde 1983 von Gregorij von Leïtis als Theaterkompanie in New York gegründet, um deutschsprachige Stücke in englischer Übersetzung dem amerikanischen Publikum vorzustellen. Er hatte erlebt, dass die Europäer seiner Generation viele US-amerikanische Theaterautoren kannten und ihre Stücke auf den Bühnen gesehen hatten, während die Amerikaner fast kein zeitgenössisches deutsches und europäisches Theater erlebt hatten. In den Folgejahren präsentierte er eine Reihe amerikanischer Erstaufführungen von Klassikern (z.B. „Stella“ von Goethe oder „Emilia Galotti“ von Lessing) und Gegenwartsautoren (Tankred Dorst, Rainer Werner Fassbinder, Felix Mitterer, Peter Turrini u.a.). Die damals noch in großer Zahl in New York lebenden Emigranten, die vor den Nazis aus Deutschland und Österreich geflohen waren, kamen von Anfang an in die Elysium Theater Company, weil sie dort jene Kultur wiederfanden, mit der sie groß geworden waren und die sie auch nach Jahrzehnten des Lebens in den USA, als wichtigen Bestandteil ihrer kulturellen Identität erachteten. So kam Elysium erstmals in Berührung mit dem großen Thema Exil und Exilkunst.

Inspiriert durch Erwin Piscators Ideen eines politisch und gesellschaftlich relevanten Theaters reagierte die Elysium Theater Company auf die drängenden sozialen Probleme, die sich am Standort des Theaters im New Yorker East Village zeigten: Obdachlosigkeit, AIDS und Drogenkonsum unter den puertoricanischen Einwandererkindern. Das Resultat: Theater für Obdachlose und Theaterprojekte und Sprachkurse in den Community Gardens des East Village für puertoricanische Kinder und Jugendliche.

1994 kam ich, Michael Lahr dazu und Elysium wurde neu ausgerichtet als transatlantische Kulturaustauschorganisation. Der neue Name Elysium between two continents macht dies deutlich. Von nun an teilten wir unsere Saison zwischen den USA und Europa auf, mit Stützpunkten in New York und München, später Berlin. Wir fingen an, Musik in unsere Arbeit zu integrieren, da sie sich leichter über Sprachgrenzen transportieren lässt. Als erste Organisation in New York City haben wir ganz systematisch die Werke der im Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt inhaftierten Komponisten Viktor Ullmann und Pavel Haas auf die Bühne gebracht, bis hin zu Ullmanns 1943 in Theresienstadt geschriebener Oper „Der Kaiser von Atlantis“. Seither sind Erinnerungskultur und Holocaust-Gedenken wichtige Elemente unserer Arbeit. Unsere Programme wollen anregen zum Nachdenken über die Vergangenheit und helfen, Lehren und Konsequenzen für unser Handeln heute als Einzelne und Gesellschaft daraus zu ziehen.

Wie seid ihr auf die Idee für Elysium between two continents gekommen? Gab es einen besonderen Moment oder eine Inspiration?

Michael: Am Anfang stand die Erfahrung, dass das deutsche und europäische Theater in den USA kaum bekannt war. Diese Lücke wollte Gregorij von Leïtis füllen. Bei den Proben mit jungen amerikanischen Schauspielerinnen und Schauspielern stellte er schnell fest, dass es dabei nicht nur um die Vermittlung von einzelnen Stücken und Autoren ging, sondern dass die Theaterkultur und das Verständnis dessen, was Theater will, in beiden Kontinenten sehr verschieden ist. Immer wieder wurden durch persönliche Begegnungen Weichen neu gestellt: Aus der Begegnung mit Maria Ley Piscator, der Witwe des Theaterpioniers Erwin Piscator, wurde die Idee geboren, den Erwin Piscator Preis zu verleihen, aus der Begegnung mit Exilkünstlern und deren Nachkommen, wie etwa der Schriftsteller Hans Sahl oder Eleanor Paul, die Tochter des Exkomponisten Egon Lustgarten, entstanden literarische und musikalische Projekte. Der Name Elysium bezeichnet die Sehnsucht nach Frieden und Harmonie, die aus echtem Dialog und kulturellem Miteinander in Respekt hervorgehen können.

Was erhofft ihr euch von re:connect?

Michael: Elysium between two continents steht an der Schwelle zu einem neuen Abschnitt. Ein generationsbedingter Leitungswechsel hat einen Transformationsprozess in Gang gesetzt, bei dem vieles auf den Prüfstand kommt. Wohin der Weg führt und wie konkret der nächste Abschnitt aussieht, kann ich noch nicht absehen. Gerade in dieser Umbruchphase scheint mir der Blick über den Tellerrand besonders wichtig. Ich freue mich, von anderen Unternehmen und deren Lernprozessen zu hören, ich erhoffe mir neue Perspektiven und Erfahrungshorizonte und einen profunden Gedanken- und Ideenaustausch im Kreis von Gleichgesinnten.

Was ist deine Vision für eine regenerativ wirtschaftende Zukunft und wie möchtest du dazu beitragen?

Michael: Das Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz war schon verschiedentlich Ideengeber für Programme, wie etwa „Nach uns die Sintflut?“ Als Kunstorganisation sehe ich unsere Aufgabe in erster Linie in der Bewusstmachung und Bewusstseinsbildung, aber auch im konkreten Vorleben der Ideale. Hier bin ich sehr gespannt, mehr zu lernen darüber, wie wir selbst ressourcenschonend arbeiten können.

Welche Herausforderungen musstet ihr auf eurem Weg bisher meistern – und was habt ihr daraus gelernt?

Michael: Die größte Herausforderung ist immer wieder, die nötigen Gelder zu finden, um unsere Projekte zu finanzieren. Die Suche nach Spendern ist immer auch die Suche nach ideellen Mitstreitern. Privatleute, Firmen und Stiftungen spenden und unterstützen immer auch, weil sie dadurch steuerliche Anreize haben, aber sie tun es auch, weil sie sich mit der Aufgabe einer Institution identifizieren, weil sie ein Projekt für besonders wichtig halten. So gesehen ist die Gruppe unserer Freunde und Förderer zugleich auch eine Wertegemeinschaft, die wir schaffen und kultivieren und vertiefen.

Die nächste große Herausforderung ist die, unsere Programme und Ziele in die nächste Generation zu tragen und ein neues junges Publikum zu gewinnen. Durch Kooperationen mit ideell ähnlich aufgestellten Organisationen konnten wir unser Publikum bereits deutlich erweitern. Im nächsten Schritt versuchen wir, gezielt mit Schulen und Universitäten zu kooperieren.

Worauf freust du dich den kommenden Jahren – sei es für dein Unternehmen, deine Community oder die Welt?

Michael: Etwas Neues will Gestalt gewinnen. Früher haben wir manchmal Elysium als ein „Kunstkloster“ imaginiert. Die Sehnsucht nach einem Ort, an dem wir das, wofür wir stehen, in allen Bereichen mit Leben füllen und mit einer Gruppe von Menschen greifbar und erlebbar machen können, ist so groß, dass sie nach Umsetzung drängt.